Vollkorn – wie langweilig…tja das denken leider immer noch viele und verfallen in Schnappatmung – denn schon der Gedanke an diese schweren, kleiigen und dichtkrumigen Backziegel, mit denen man höchstens fiese Mehlmotten erschlagen kann, verursacht einen Zustand des Grauens…
Mill it, bake it, enjoy it, repeat it
Damit ist jetzt Schluss! Das #brotokoll schließt sich der Mahl-Revolution an und sorgt für Mahlen nach Rezept statt Malen nach Zahlen. Besser kann man nicht ins neue Jahr starten!
Warum Vollkorn nicht Vollkorn ist, welche spannenden Inhaltsstoffe in frisch gemahlenem Mehl enthalten sind (die uns obendrein auch noch gesundheitlich gut tun) und wie man dazu kommt Haushaltsmühlen zu bauen, darüber habe ich mit einem echten Pionier geplaudert. Mit niemand geringerem als dem King of Mock’n Roll: Wolfgang Mock
Happy reading & happy baking!
Der Beginn
Wolfgang, seit wann produzierst Du schon Mühlen? Wie kommt man dazu Mühlen zu bauen, bzw. welche Mühlen stammen aus Deiner Feder?
Ich habe meine erste Mühle gebaut, weil ich mich über eine gekaufte Mühle geärgert hatte. Das war damals die Elsässer Getreidemühle, die ich 1976 gekauft hatte.
Meine Kritik an dieser Mühle war damals (wie auch heute), dass sie mit der heißen Motor-Kühlluft das Mehl heraus blies. Schon damals war ich gegen diese Bauweise. Man kann sich das so vorstellen als würde man einen kleinen gewürfelten Apfel mit dem Föhn anblasen. Dieser würde sofort braun werden, denn: Dabei kommt es zu einer völlig unnötigen und dazu forcierten Oxidation, die es durch das Frischmahlen des Getreides zu vermeiden gilt.
Ich fragte damals einen Freund, ob er mit mir zusammen an Wochenenden an einer Mühle arbeiten wolle. Und so kam es, dass wir mit Harald an vielen Wochenenden an einer neuen Mühle gearbeitet haben. Diese hat dann meine damals sechs Jahre alte Tochter hawo genannt – die Abkürzung von Harald und Wolfgang. Und bei diesem Namen ist es geblieben: “hawos kornmühlen”. Harald wollte nicht Mühlenbauer werden. Ich schon. Die Getreidemühlen für den Haushalt, die hawos bis heute baut, entstammen bis auf zwei Mühlen den Entwicklungsarbeiten hier bei uns in Otzberg.
Nach meiner Trennung von hawos habe ich gemeinsam mit Thomas Mohr – seit 1991 in meiner Firma – die Technik der Fidibus-Mühlen entwickelt. Dafür hatte ich die Wolfgang Mock GmbH gegründet.
Als nächstes folgte gemeinsam mit Peter Koidl der Start der KoMo Gmbh als Vertriebsfirma. Diese sollte die von Peter Koidl entwickelten Penningberger Kornmühlen und meine Fidibus Mühlen vertreiben. Doch schon bald darauf haben wir die weitaus bessere Technik der Fidibus-Mühlen auch in die Penningberger Kornmühlen eingebaut und eine der Penningberger Mühlen ausgelistet.
Später bat uns schließlich auch die Firma Schnitzer darum, die ausgereifte Technik (Mahlwerk = Steine, Verstellung und Motor) der Fidibus-Serie in die Schnitzer Mühlen einzubauen. Dafür haben wir ein passendes Design entwickelt.
Zusammengefasst: Die Mühlen von hawos (mit den genannten Ausnahmen), KoMo und Schnitzer (außer der Schnitzer-Vario) basieren auf meiner Entwicklungsarbeit, für die Thomas Mohr mein kongenialer Partner war und ist.
Trends
Wie siehst Du die aktuellen Trend-Entwicklungen: einerseits zurück zu den Handwerksbäckern, andererseits die steigende Zahl an Homebakers – aber auch an Menschen mit Unverträglichkeiten?
Ich sehe einen sehr erfreulichen Trend hin zum Backen von Brot und Brötchen zu Hause. Das heißt allerdings nicht, dass frisch gemahlenes Getreide verwendet wird. Noch immer wird “altes Vollkornmehl” gekauft, während genau dieselben Menschen jedoch dahinter sind, alles andere so frisch wie möglich zu verwenden (Obst, Gemüse, Milchprodukte etc. ).
Einen extrem starken Trend hin zu handwerklich arbeitenden Bäckern bemerke ich eher in den USA. Dort habe ich viele dieser hervorragenden Bäcker auf Konferenzen zum Thema Brot und Getreide kennengelernt. Ich habe auch selbst einen Vortrag über die Vorteile von frisch gemahlenem Getreide gehalten* (*Symposium in North Carolina: “Future of Bread”).
Kommen wir zum Mahlen: was sind die Vorteile von selbst gemahlenem Getreide (wo es doch mittlerweile sehr viele Mehlsorten auch international zu kaufen gibt)?
Die Vorteile des frischgemahlenen vollen Korns sind:
- Keine Schädigung durch Oxidation (wenn nach dem Frischmahlen sofort gebacken wird) für sauerstoffempfindliche Vitamine, Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe, zu denen auch Aromastoffe gehören. Diese sorgen für einen besseren Geschmack in frisch gemahlenen Getreideprodukten – wie man es ja auch bei frisch gemahlenem Kaffee bevorzugt.
- Keine Schädigung bei Mahlzeiten aus frisch gemahlenem rohem Getreide für hitzeempfindliche Vitamine, essenzielle Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren und wiederum sekundäre Pflanzenstoffe.
- Frisch gemahlenes Getreide ist eine wichtige Nahrungsquelle für die Bakterien im Dickdarm, der Mikrobiota, die uns ein ganzes Leben lang begleiten.
Besonders hervorzuheben ist außerdem die höhere Wirksamkeit von nicht erhitzten Ballaststoffen. Daher macht es Sinn, täglich mindestens eine Getreide-Mahlzeit aus rohem Getreide zu verzehren (ich mache das mit meinem “Wolfgang’s Müsli”).
Das ist der einzige Weg, diejenigen Bestandteile des Getreides zu genießen, die die Wissenschaft noch nicht entdeckt hat und die erst in den nächsten Jahrzehnten gefunden werden. Ähnlich wie bei den schon genannten Sekundären Pflanzenstoffen (SPS) die bis vor ca. 35 Jahren in ihrer Bedeutung ebenso völlig unbekannt waren.
Diese Pflanzenstoffe sind wichtige Bestandteile der menschlichen Ernährung. 90-95% dieser Substanzen kommen zusammen mit den Ballaststoffen völlig unverändert im Dickdarm an. In den letzten 35 Jahren wurden etwa 100.000 solcher Substanzen identifiziert. Davon kann der Mensch etwa 5.000–10.000 mit der Nahrung aufnehmen. Dazu muss er Lebensmittel essen, die ihm genügend Sekundäre Pflanzenstoffe liefern.
Das Problem ist, dass uns die meisten Sekundären Pflanzenstoffe direkt nichts nützen. Warum nicht? Sie müssen zunächst von den Bakterien im Dickdarm verspeist werden. Erst die dabei entstehenden Stoffwechselprodukte fördern unsere Gesundheit. Das frischgemahlene volle Korn z.B. enthält neben Phenolsäure weitere sekundäre Pflanzenstoffe, die uns vor Dickdarmkrebs schützen können. Auch hierfür gilt: Erst wenn die Bakterien die Sekundären Pflanzenstoffe verspeist, also „zerlegt“ haben, entstehen die Enzyme und Mikro-Substanzen, die so wichtig und gesundheitsfördernd sind.
Füttere mich – und ich füttere dich! Das ist die Devise.
Gibt es irgendwelche Nachteile?
Keine, die aus der Tradition des Getreideanbaus abzuleiten sind. Doch die “moderne” Züchtung, die vor allem auf die Maschinenfähigkeit des Getreides abzielt, bringt Nachteile:
Aufgrund der Züchtung von Hochleistungssorten hat der Gehalt an Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) im Weizen zugenommen. „Die Gene, die für die ATI-Bildung nötig sind, gab es zwar bereits in alten Weizenkulturen. Moderne Züchtungen enthalten aber etwa zwei- bis dreimal so viele ATIs wie ältere Sorten; in Dinkel sind es im Vergleich zu modernem Weizen etwa halb so viele“, erläutert Detlef Schuppan (Leiter des Instituts für Translationale Immunologie und der Ambulanz für Zöliakie und Dünndarmerkrankungen am Universitätsklinikum Mainz) seine Forschung zu den unverträglichen Proteinbestandteilen. „Relevant sind ATIs hauptsächlich bei Weizen, Gerste und Roggen. Ihr Vorhandensein ist ganz stark an den Glutengehalt gekoppelt.“
Die Gruppe um Professor Schuppan fand heraus, dass die Amylase-Trypsin-Inhibitoren die Verursacher für die Beschwerden sind. Diese Proteinbestandteile kommen in Getreide als natürliche Abwehrstoffe gegen Parasiten und Krankheiten vor. Da sie zusammen mit Gluten auftreten, war eine Differenzierung der Wirkungsursache bislang schwer festzustellen. Wenn dann noch die Zeit für das Fermentieren des Teiges dem Ablauf der Industriefertigung so angepasst wird, dass die Teige nur eine Stunde gehen dürfen (nach dem Motto: Zeit ist Geld!), entstehen Backprodukte, auf die bis zu 12 % der Bevölkerung mit starkem Unwohlsein reagieren. Wie man mittlerweile weiß, treten diese Wirkungen nicht auf, wenn die Teige lange genug fermentieren dürfen (mindestens 5 Stunden und länger). Allerdings gilt das nicht für die ca. 0,5 % der Menschen, die unter Zöliakie leiden. Diese Menschen müssen auf glutenhaltige Lebensmittel komplett verzichten.
Mockmill
Mockmill: Ihr habt zwei Modelle Eurer Mühle im Sortiment – was sind die Unterschiede bzw. für wen eignet sich welches Modell?
Beide Modelle sind genau genommen Mühlen für den Haushalt. Für Vielmahler kommt vielleicht eher die Mockmill 200 in Frage, die pro Minute 200g feines Mehl mahlt (bzw. grob gemahlen deutlich mehr).
Was ist das Besondere an den Mockmills?
Getreidemühlen sind nur so gut wie ihr Mahlwerk und – so preiswert wie ihr gefertigtes Gehäuse.
Dazu unsere 3 Pluspunkte:
- Thomas Mohr, der seit 27 Jahren für mich arbeitet, ist für mich der beste Fachmann für Steinmahlwerke in ganz Europa. Für die Mockmill hat er die aktive Mahlsteinfläche stark vergrößert um noch feiner zu mahlen.
- Holzgehäuse kosten bis zu fünf mal mehr als unser Gehäuse aus nachwachsenden Rohstoffen
- Über 200.000 zufriedene Kunden mahlen frisch mit Getreidemühlen, die bisher von mir als Unternehmer gebaut und verkauft worden sind
Bäckst Du selbst zuhause? Welche ist Deine liebste Getreidemischung beim Selbstmahlen?
In den ersten Jahren habe ich Brote aus 100 % frischgemahlenem Roggen gebacken. Heute bevorzuge ich eine Mischung aus 60-80 % Roggen mit 20-40 % Dinkel. Manchmal ersetze ich den Dinkel durch Purpurweizen, der sehr kräftig treibt. Fermentationszeit insgesamt ca. 20 Stunden. Diese Mischungen führen zu einer lockereren Krume als bei 100 % Roggen. Und ich brauche dazu kein Brühstück! Meine Enkelkinder lieben mein Mischbrot. Ich backe für meine Töchter und Enkelkinder mit.
Hast Du für die #brotokoll follower den einen oder anderen „Geheimtipp“ für das Mahlen mit der Mockmill? Muss man auf etwas besonders achten?
In der feinsten Einstellung sollten die Steine minimal “hörbar” sein, also der Steinkontakt gerade eben beginnen. Das bringt feines Mehl und schont die Steine. Auf keinen Fall dürfen die Steine aufeinander reiben während des Mahlens.
Vielen Dank Wolfgang für Deine Zeit und dafür, dass auch das #brotokoll Teil dieser neuen Mahl-Revolution geworden ist – Viel Erfolg weiterhin bei Euren Projekten und neuen Produkten!
Mehr von den Mockmills und alle Infos zu den Mühlen u.v.m. gibt es auf ihrer Website , Facebook und Instagram.
Mock’n Roll Series
Das war’s? Wo denkt Ihr hin? Mit diesem Interview läuten wir hier im #brotokoll eine neue Rezeptreihe ein:
Ihr dürft schon darauf gespannt sein, was Euch alles zwischen die Mahlsteine kommen wird (ein großes Dankeschön an das Team von Mockmill, das mir eine Mühle zum Testen zur Verfügung gestellt hat) – hier ein kleiner Vorgeschmack aus dem #brotokoll Mock’n Roll Rezeptlabor
Und ab gehts zum ersten Rezept der #brotokoll Mock’n Roll Series: dem Roastkäppchen!
Übrigens: auf Instagram und Facebook bleibt Ihr immer am Laufenden wenn sich ein neues #brotokoll Rezept anbahnt.
Happy milling & happy baking!
1 comment
Hallo Alex
Danke für den Bericht die Mockmill ist jetzt unser neuer Star in der Backstube
ich werde immer häufiger gefragt ob der Unterschied so gross ist zwischen 1kg Mehl vom Discounter(0,39 cent) und den Mehlen von z.B Bongu
Wie wird sich unsere Backkultur verändern ?!
Gruss thommy