Honig ums Meul schmieren?
Das habe ich zwar nicht vor, aber ich bin mir (fast) sicher, dass Euch dieses Rezept sehr zusagen wird. Der Honig kommt dann höchstens auf eine dieser unfassbar aromatischen, locker-luftigen Brotscheiben des Tourte de Meule. Was dann ganz leicht in einer To(u)rtenschlacht ausarten kann.
Französisches Landbrot
Die Tour de France ist ja weitgehend bekannt. Tour und Tourte de Meule sind dann doch weniger geläufig. Aber keine Angst, bei diesem Rezept muss weder eine Bestzeit erreicht noch gestrampelt werden bis zum Umfallen. Lediglich das Handkneten könnte etwas kräfteraubender ausfallen als sonst. Dafür gibt es aber eine besondere Belohnung: eben diesen wahnsinnig aromatischen Klassiker eines französischen Landbrots – das Tourte de Meule.
Paris – Verdelot – Moulins Bourgeois
Zum ersten Mal in Kontakt damit kam ich vergangenen Juli, als mich Mehl-Pate Manfred Schellin (bongu.de) zu einem Back-Training nach Paris, Frankreich mitnahm. Genau gesagt nach Verdelot (80km von Paris entfernt) in die Traditionsmühle der Bourgeois Brüder. Die Mühle (Moulins Bourgois) ist seit 1895 in Familienbesitz und steht für höchste Qualität. Die Schwerpunkte liegen in der Ausrichtung auf klassische französische Handwerksbäcker (im Umkreis von 200 Kilometer wird so gut wie jeder Brotagonist von Bourgeois beliefert) und den Export des „weißen Feenstaubs“.
100 Mitarbeiter sind am Werken um täglich rund 500 Tonnen Weizen gemahlen zu bekommen. Der Großteil des Weizens (aus konventioneller, aber auch kontrolliert biologischer Landwirtschaft), der mitunter zu den besten Weizensorten Frankreichs zählt, stammt sogar aus der unmittelbaren Umgebung der Mühle.
T80 Label Rouge aus der Steinmühle
Nähern wir uns der Besonderheit eines ganz bestimmten Mehls aus der Mühle von David und Julien Bourgeois. Dem Weizenmehl T80 Label Rouge (Tour de Meule). Label Rouge ist ein Gütesiegel des französischen Landwirtschaftsministeriums, das für Lebensmittel gehobener und erstklassiger Qualität vergeben wird. Für Mehl gilt außerdem, dass nach der Ernte des Weizens keinerlei Insektizide zum Einsatz kommen.
Das Spezielle am T80 : Es ist ein steingemahlenes Mehl mit hoher Wasseraufnahmefähigkeit und verleiht dem Brot einen außergewöhnlichen Charakter. Tour de Meule bedeutet etwa: Runder Mühlstein. Die Auflösung des Rezeptnamens: Der Name leitet sich daraus ab, dass (im Fall der #brotokoll Edition) der Großteil des verwendeten Mehls für dieses französische Landbrot eben aus steingemahlenem T80 Weizenmehl besteht (dem Tour de Meule). Traditionell rund geformt wie eine Torte nennt sich der Brotlaib somit Tourte de Meule.
Tour de Meule als Open Crumb Variante
Kein #brotokoll Rezept ohne Challenge: zum einen wollte ich an den Geschmack, der sich seit Frankreich eingeprägt hatte relativ nahe kommen. Und zum Zweiten, wollte ich das #brotokoll Tourte de Meule in die Open Crumb Sourdough Series katapultieren und die Krume so luftig wie möglich zaubern. Ein wenig tüfteln war angesagt denn: das T80 kann bei der Verarbeitung recht bockig sein (wundert Euch das? Wer will schon pausenlos gemischt, gedehnt, gefaltet oder gar gesalzen werden?).
Für eine offene Porung muss der Teig jedoch extrem dehnbar sein, um das Gärgas aufnehmen und halten zu können. Neben dem richtigen Sauerteiganteil ist die Ruhezeit während der Stückgare das Zünglein an der Mehlwaage für das Endergebnis. Ebenso ganz entscheidend ist die Triebfähigkeit des verwendeten Sauerteigs. Da auch dieser gewissermaßen ein Gewohnheitstier ist, verwende ich für die Herstellung des Levain (= franz. Sauerteig) dasselbe Mehl, das er auch sonst als Futter bekommt. Im Hauptteig ist dann ausschließlich das französische T80 an der Startlinie.
Et Voilà hier ist sie: die #brotokoll Tourte de Meule Open Crumb Edition. Lockere Porung, toller Ofentrieb, dezente Säure und eine dunkel ausgebackene Kruste mit Röstaromen zum Niederknien. Ohne Hefekeule fürs Tourte de Meule.
Viel Spaß & Happy Baking!
P.S.: Vielen herzlichen Dank an Manfred Schellin, Maxime Debat, Debora Kadne und Julien Bourgeois für diese tollen Tage bei Moulins Bourgeois!
Hier sind noch ein paar Eindrücke dieser tollen Reise zur Mühle in Verdelot.
Stehzeit des Sauerteigs beim Bilden des Levain: etwa 5 Stunden bei etwa 25-27 Grad Raumtemperatur.
Diese 5 Stunden sind aber nur eine Richtzeit und neben der Raumtemperatur extrem abhängig von der Aktivität Eurer Sauerteigkultur. Nach der letzten Fütterung sollte sich der Sauerteig zumindest verdoppelt haben, am Peak stehen und nicht in sich zusammengefallen sein.
Ich empfehle Euch dasselbe Mehl für den Levain zu verwenden, mit dem Ihr auch normalerweise den Sauerteig füttert. Einen Beispiel-Zeitplan für die Levain-Herstellung findet Ihr in den Rezepten "Lime story" und "Moulin Ruch".
194g Wasser (kalt)
Die Mehle mit dem kalten Wasser klumpenfrei miteinander vermischen und für 4 Stunden abgedeckt bei Raumtemperatur ruhen lassen (Autolyse). Am besten startet Ihr die Autolyse zeitgleich mit der Levain Bildung.
118g Levain
7g Salz
Den Levain zum Teig hinzufügen und etwa 5-10 Minuten lang mit der Hand (siehe Video im Bereich: Wissen | Open Crumb - Sourdough Series | Kneten) kneten. Wenn der Teig zu fest erscheint (das T80 hat eine hohe Wasseraufnahme), dann fügt etwas Wasser hinzu. Den Teig abdecken und für etwa 20-30 Minuten lang ruhen lassen. Dann das Salz hinzufügen und nochmals für 2-3 Minuten lang kneten. Den Teig in eine geölte Teigwanne geben und abgedeckt für etwa 1 Stunde lang bei 25 Grad Raumtemperatur (diese Temperatur sollte während der gesamten Stockgare in etwa gleich bleiben) ruhen lassen.
Die Mengenangaben sind für 1 Brotlaib mit etwa 593g Gewicht.
Infos zum Herstellen des Levain findet findest Du im Rezept Lime story.
Weihnachts-Variation des Tourte de Meule: bestreut den Teig bei der Lamination mit ca. 50-60g Nüssen und getrockneten Früchten!
Du hast spezielle Fragen zum Rezept? Dann schreib mir einfach direkt über das Kontaktformular. Ich helfe Dir gerne weiter!
10 comments
Ein sehr schönes Brot, zweifellos und in der Nähe zum Elsass frage ich mich, warum das Mehl nicht in div. Marchés angeboten wird.??!
Interessant ist die Aussage “Für Mehl gilt außerdem: dass nach der Ernte des Weizens keinerlei Insektizide zum Einsatz kommen.” Was gilt vor der Ernte? Ich frage mich, was machen die Franzosen mit ihren großen Flächen Getreideanbau anders als die deutschen Landwirte?
Mein Mehl beziehe ich aus eine Mühle in der Nähe und ich würde gern wissen was anders ist im Vergleich zu französischen Mehlen.
Hallo Regina! Vielen Dank! Zunächst: ja, vor der Ernte dürfen Insektizide zum Einsatz kommen. Derartiger Premium-Weizen (sehr hoher Proteingehalt) ist in Deutschland recht selten. Vor allem weil der Preisdruck für den deutschen Bäcker enorm hoch ist und auch der Müller meist so günstig wie möglich das Korn vom Bauern bezieht (Der Preis wird u.a. über den Proteingehalt bestimmt) Darüber hinaus komponiert der französische Müller aus diesen ca. 10 ihm zur Verfügung stehenden zertifizierten Premium-Weizensorten eine Melange.
LG Alex
“Den Teigling direkt aus dem Kühlschrank zuerst mit einer Rasierklinge im 45 Grad Winkel einschneided, in den heissen Topf setzen …….. ”
Schmeckt gut, aber: Im Topf einschneiden ist nicht ungefährlich, wie machtst du das?
Mache ihn ansonsten mit LM, nicht im Topf. Da ist er wesentlich “poröser” als hier. Bin genau nach deinem Bsp. verfahren, Insgesamt wesentlich flacher.
Deine hellseherischen Fähigkeiten sind gefragt.
Hallo Manfred! Zum Thema Topf kommt demnächst ein Beitrag. Wenn Du etwas Lodge-ähnliches verwendest, ist das Einschneiden überhaupt kein Problem, da der Teigling auf dem flachen pfannen-artigen Teil aufliegt. “Nicht im Topf sondern mit LM” – was meintest Du damit? LG Alex
Ich backe sehr häufig das Rezept vom Brotdoc “La Tourte de Meule mit Lievito madre”. Ich backe das Brot nicht im gusseisernen Topf sondern im Holzbackofen bzw. im normalen Backofen auf einem Backstein. Die Poorung ist ist noch besser als auf den Bildern die man beim Brotdoc sehen kann.
Ich vermute, dass mein Brot so flach geworden ist hängt damit zusammen, dass ich es zum Ende der Stockgare zu früh in ein Gärkörbchen gegeben habe. Ich habe auch bei einem anderen Brot, dass ich nach diesem Verfahren gebacken habe, das Gefühl, das nach hinten raus noch mehr geht.
Zum Thema Lodge: wenn ich mir jetzt noch einen neuen gusseisernen Topf hole erschlägt mich meine Gattin. Ich denke, dass ich beim nächsten Mal, wenn ich den Teig aus der Kühlung nehme ihn auf ein Backpapier bringe, ihn einschneide und dann mit dem Backpapier im Topf versenke.La Tourte de Meule mit Lievito madre
Hallo Manfred! Ich hab mir Björns Rezept kurz angesehen – ich habe ja auch im Rezept angemerkt dass einige Parameter sehr stark dafür ausschlaggebend sind ob man am Ende auf Open Crumb hinausläuft oder nicht. So unterschiedlich wie die einzelnen Triebmittel sind (fest geführter LM oder junger Levain mit einer hohen TA) ist letztlich auch die Porung. Was nicht heißt, dass man mit einem festen Vorteig keine offene Krume erzielen kann. 30% Volumszunahme solltest Du schon während der Stockgare schon erreichen – ansonsten wirds ein wenig problematisch. Wenn Du beim nächsten Mal das Gefühl hast, es wäre noch mehr gegangen – leg einfach noch eine benchrest (Ballengare) nach dem Auskippen aus der Wanne ein. So kannst Du etwas Fermentationszeit noch nachholen. Die Idee mit dem Papier ist top! Und ja bzgl. zu vieler Backutensilien zu Hause…da könnte ich wohl ein Buch darüber schreiben. LG Alex
Hallo Alex,
durch die lange kalte Stückgare von 18 Stunden schmeckt das Brot für meinen Geschmack zu säuerlich. Im Rezept habe ich den hohen Anteil des Levains auf 40% von der Mehlmenge reduziert. Den Levain habe ich so mild wie möglich gehalten (TT 30 Grad und bei einem ph Wert von 4.4 verwendet). Wenn ich auf die kalte lange Stückgare verzichte, schmeckt das Brot mild.
Soll das Tourte de meule sauer schmecken? Wie kann ich das Brot mit kalter langer Gare mild halten ? Schliesslich möchte ich ja auf die offene Porung nicht verzichten.
Herzlichen Dank für Deine Antwort, Tilman
Hallo Tilman! Hmmm der Levain-Anteil ist etwas höher als bei z.B. Lime story oder Sweet dreams aber er liegt
bei unter 22% (es sind nur 21,8% vom Mehl versäuert). Wichtig ist dass Dein Levain mehrere Male aufgefrischt wird
bevor Du ihn verwendest – bei der Temperatur würde ich nicht über 26-27 Grad gehen (LM bzw. Panettone sind eine andere Geschichte).
Du wirst generell bei einer kalten Stückgare ein säuerlicheres Brot als bei direkter Führung haben. Sauer sollte das Tourte de Meule nicht schmecken.
Eine ganz dezente Säure sollte es haben – aber keine Säurespitzen. Wenn Dein Levain öfter aufgefrischt wurde und gut intakt ist, solltest Du eigentlich auch
bei dieser längeren kalten Stückgare ein mild säuerliches Tourte de Meule am Ende haben. Wie kamst Du denn auf 40% Levain? Liebe Grüße, Alex
Hallo Alex,
obwohl ich mich an dein Rezept gehalten habe, hat mein Brot bei weitem keinen so tollen Ofentrieb. Ich habe das Gefühl, es ist mir im Kühlschrank übergärig geworden, obwohl ich die Gehzeiten bereits im Vorfeld verringert habe.
Okay, in einem Punkt bin ich abgewichen: Ich habe den Levain 3 Mal mit T80 gefüttert – bitte sage nicht, dass dies die Ursache gewesen ist.
Es war ein so toller Teig… 🙁
Bitte hilf mir!
Gern kann ich dir auch ein Foto des Brotes senden.
Danke und mehlige Grüße
Sebastian
Hallo Sebastian!
Das werden wir gemeinsam schon hinbekommen 🙂
Und ja, ein Mitgrund wird jedenfalls der T80er Sauerteig sein. Das T80 hat eine tolle Triebkraft. Es wird ziemlich sicher daran gelegen haben, dass Du so in der Übergare gelandet bist.
Versuche mal, wenn Du Deinen T80er Sauerteig verwendest, die Sauerteig-Menge im Rezept zu reduzieren. Probiere es mal mit 25% weniger (das müsstest Du dann im Hauptteig, also zur Autolyse noch als Mehl/Wasser dazu geben, da Dir auf das Gesamtgewicht ansonsten Menge fehlt).
Du kann mir vom Brot gerne auch Fotos an meine E-Mail schicken (ich versuche auch schon seit einiger Zeit Foto-Uploads hier zu ermöglichen).
Gib Bescheid, ob es geholfen hat!
Liebe Grüße, Alex