Neben bekannten Triebmitteln wie Sauerteig, Pasta Madre (Lievito Madre) und Backhefe ist (wenn auch schon vor langer Zeit verwendet) Hefewasser ganz aktuell in aller Munde…oder besser gesagt Teige.
Wasser, Zucker, Früchte (Gemüse, Blüten oder Kräuter) – mehr braucht es nicht um dieses 100% natürliche und extrem flexible Triebmittel herzustellen.
Da viele Rezepte hier im #brotokoll auf Hefewasser basieren, findest Du hier laufend Tipps & Tricks zum Einsatz von Hefewasser.
Vorteile
Die Vorteile von der Anzucht, Führung und vom Einsatz von Hefewasser liegen auf der Hand:
- Der Ansatz ist einfach, gelingsicher und lässt der Kreativität keine Grenzen
- Der Aufwand für die Führung eines aktiven Hefewassers ist extrem gering
- Aktives Hefewasser hält sich wochen- manchmal sogar monatelang ohne jegliches Zutun
- Aus Hefewasser lassen sich rasch und kinderleicht extrem triebstarke Vorteige wie Poolish oder Biga herstellen
- Du kannst Hefewasser auch zum Ansetzen einer Pasta Madre (Lievito Madre) verwenden
- Mit einem Hefewasser-Vorteig kannst Du 1:1 die erforderliche Sauerteig-Menge in einem Rezept ersetzen
- Auch Rezepte mit Backhefe lassen sich auf Hefewasser-Varianten ganz einfach umbauen
- Wenn die Urlaubszeit naht sind wesentlich weniger Vorkehrungen zu treffen als bei einem Sauerteig
- Gerade im Bereich der Langzeitführung, kann man mit Hefewasser sehr einfach auf extrem lange Fermentationszeiten setzen – anders als bei Sauerteig werden Teige die mit Hefewasser hergestellt wurden, erst nach einigen Tagen leicht säuerlich
Hefewasser?
Eines vorweg: Backhefe + Wasser ist NICHT gleich Hefewasser.
Wovon wir hier sprechen findet sich auch unter klingenden Namen wie “Fermentwasser”, “Fruchtwasser” bzw. im Englischen als “Wild Yeastwater” wieder. Oder eben: (Wildes) “Hefewasser”.
Wildhefen und auch Milchsäurebakterien (genau die Tierchen die wir zum Fermentieren unserer Teige brauchen) umgeben uns überall – sie sind in der Luft, sie machen es sich auf Obst, Gemüse, Blumen gemütlich – ja sie sitzen sogar auf unseren Händen! Über unsere Hände bzw. das Korn (zu Mehl gemahlene) gelangen sie so auch in den Sauerteig-Ansatz (der ja nur aus Mehl und Wasser besteht).
Mit dem Hefewasser schaffen wir für diese Wildhefen (daher auch der Name des Wunderwässerchens) eine Umgebung in der sich die Fermentierchen wohlfühlen (warmes Wasser) um sich weiterzuentwickeln und auch um sich fortpflanzen können. Damit sie bei Kräften bleiben benötigen sie natürlich auch noch Nahrung (Zucker).
Auf die Früchtchen – fertig – los
Wie eingangs beschrieben benötigen wir also Wasser, Früchte (alternativ: Gemüse, Kräuter, Blütenblätter) und Zucker.
Und hier kommt auch schon die magische Formel zum Ansetzen des Hefewassers:
600g Wasser (etwa 38 Grad Celsius) | 200g Früchte | 20g Zucker
Die Früchte werden kleingeschnitten und zusammen mit Wasser und Zucker vermischt und in ein Fermentierglas geleert (wir kommen weiter unten im Beitrag noch genauer darauf zu sprechen).
Und nach etwa 3-5 Tagen (das Fermentierglas wandert – wie bei beim Ansetzen eines Sauerteigs – während dieser Zeit an einen warmen Ort) ist das Hefewasser fertig! Ja tatsächlich…ohne wenn und aber…kein Kleingedrucktes...kein Auffrischen…kein Zwischenfüttern (lediglich 1-2 Mal täglich wird das Glas geschüttelt – damit ein bisschen Bewegung in das Gewusel unserer Tierchen kommt).
Es ist genauso einfach wie es sich anhört. Hier der Videobeweis:
Obst, Gemüse, Kräuter, Blüten
Hier zeigt sich wie flexibel und auch kreativ Hefewasser hergestellt werden kann: Es lässt sich so gut wie alles was auf Bäumen wächst oder gepflückt bzw. geerntet werden kann fermentieren – und eignet sich für die Herstellung von Hefewasser (bitte informiere Dich vor allem bei Kräutern, Blättern und Blüten vorab, ob diese giftig oder möglicherweise nicht zum Verzehr geeignet sind).
Empfehlenswert ist es (aus gesundheitlichen Gründen, aber auch da ansonsten die Fermentation negativ beeinträchtigt werden kann), auf unbehandeltes sowie ungeschwefeltes Obst und Gemüse (egal ob frisch oder getrocknet) zurückzugreifen.
Der- bzw. die einzige, die der Fermentierungs-Kreativität beim Ansatz von Hefewasser Grenzen setzt, ist die Natur selbst. Da man sich selbst recht schwer durch die gesamte Botanik fermentiert, sind (Brotbacken verbindet) geteilte Erfahrungen der Brotback-Community extrem wertvoll für den Backerfolg.
Viele Erfahrungsberichte haben gezeigt, dass sich folgende Früchte aufgrund spezieller gluten-abbauender Enzyme NICHT für die Herstellung von Hefewasser eignen (man kann diese Enzyme zwar “deaktivieren” – der Aufwand zahlt sich jedoch nicht aus):
- Mango
- Ananas
- Papaya
- Kiwi
Die genannten Frucht (200g)-/Zucker (20g)-/Wasser (600g)/-Mengen aus der Formel sind ein Richtwert – Ihr würdet Euch schwer tun 200 Gramm Blüten in ein Fermentierglas zu pressen. Wichtig ist, dass das Verhältnis Wasser/Frucht und vor allem gewählte Frucht/Zucker stimmt, damit unsere Mikroorganismen genügend Nahrung bekommen.
Somit gilt: wählt Ihr als Frucht für Euer Hefewasser etwas mit hohem “Eigenzuckeranteil” aus – reicht die Zuckermenge wie in der Formel angegeben (20g) aus. Setzt Ihr aber z.B. Euer Hefewasser aus Rosenblüten an – müsst Ihr die Zuckermenge erhöhen.
Und Zucker ist auch schon das Stichwort…
Zucker
Wichtig für unsere Fermentierchen ist eine hochwertige Zuckerquelle, die es schafft “Einfachzucker” rasch zur Verfügung zu stellen. Denn diesen müssen die Mikroorganismen in unserem Hefewasser nicht mehr aufspalten (wie etwa Mehrfachzucker) um ihn verdauen zu können.
Ich empfehle Euch daher: Kokosblütenzucker und/oder Honig zu verwenden – mit diesen beiden Zucker-Varianten habe ich immer die besten Ergebnisse erzielt.
Raffinierter weißer oder gar Staub-/Puderzucker eignen sich NICHT (den hebt Ihr Euch allenfalls für die süßen Rezept-Sünden aus dem #brotokoll auf).
Gefäß
Mit dem Druck, der während des Fermentationsprozesses von Hefewasser entsteht ist nicht zu spaßen (ich sah tatsächlich schon einige Videos von explodierenden Glasflaschen, die wie Raketen in “Ein echter Wiener geht nicht unter”-Manier aus Wohnzimmern in Richtung Nachbarhaus geflogen sind).
Ich empfehle Euch daher für die Herstellung ausschließlich Fermentiergläser mit einem speziellem Fermentationsdeckel zu verwenden.
Diese Deckel haben es tatsächlich in sich, denn: durch ein Ventil lassen sie CO2, das während der Fermentation entsteht, automatisch aus dem Gefäß ab – und verhindern jedoch gleichzeitig, dass Sauerstoff eindringen kann (das würde Fremdgärung oder Schimmelbildung begünstigen – ganz besonders während der ersten 24-48 Stunden nach dem Ansetzen des Hefewassers).
Temperatur
Achte beim Ansetzen Deines Hefewassers darauf, dass die Umgebungstemperatur nicht unter 25 Grad fällt. Optimal wären um die 27-28 Grad – diese Temperatur fördert die Fermentation und die Hefeentwicklung am besten (diese Umgebungstemperatur findest Du z.B. in Deinem abgeschalteten Backofen bei eingeschaltetem Licht).
Lagerung
Nach der Herstellung bzw. bis zur nächsten Verwendung ist das Hefewasser immer im Kühlschrank zu lagern – da es bei Zimmertemperatur ständig weitergären würde!
Ab wann und wie wird Hefewasser verwendet?
Es dauert in der Regel 3-5 Tage (je nach Umgebungstemperatur) bis Dein Hefewasser einsatzbereit ist. Erkennen wirst Du das daran, dass die von Dir verwendeten Früchte dicht aneinander gedrängt an der Oberfläche schwimmen und rundherum kleine Bläschen aufsteigen. Dann wird es Zeit für einen Test!
Vermische in einem Gefäß eine kleine Menge Hefewasser mit Mehl (z.B. jeweils 15-20g ) und lass diese Mischung am warmen Ort, an dem Dein Hefewasser steht, gehen. Wenn sich das Volumen innerhalb von maximal 12 Stunden verdoppelt, ist Dein Hefewasser bereit! Zum Stabilisieren stellst Du es jetzt noch für 12-24 Stunden in den Kühlschrank, dann kannst Du auch schon loslegen, einen Vorteig damit anzusetzen!
Hefewasser Vorteig
Ich arbeite mit Hefewasser ausschließlich in Vorteigen. Der Grund ist schnell erklärt: Hefewasser benötigt wesentlich länger Zeit um einen Teig zu treiben als gewöhnliche Backhefe. Ein starker Vorteig mit entsprechender Triebkraft, sichert Dir eine optimale Startposition für den Hauptteig.
Außerdem kommt es hin und wieder vor, dass Hefewasser, wenn es als komplettes Schüttwasser für die Teigherstellung genommen wird (damit ist Das Wasser gemeint, dass Du zum Mischen des Teiges benötigst), zu einer gummigen Krume führen kann.
Ein weiterer Nachteil: Jede Art von Spontan-Fermentation (zu dieser Kategorie zählt auch das Hefewasser) birgt das Risiko, dass der Hauptteig falsch fermentiert oder einfach viel zu lange benötigt (vor allem wenn die Hefewasser-Kultur schwächelt) um sich gut zu entwickeln. Dieses Risiko wird demnach größer wenn Du nur Hefewasser als Flüssigkeit im Hauptteig verwendest.
Auf Nummer sicher gehst Du also, wenn Du mit dem Hefewasser einen Vorteig ansetzt, der eventuell sogar mehrstufig geführt wird (wie es in vielen Hefewasser-Rezepten hier im #brotokoll der Fall ist).
Umbau von Rezepten auf eine Hefewasser Variante
Neben speziellen auf Hefewasser ausgerichteten Rezepten kannst Du so gut wie alle Rezepte auf Hefewasser umbauen. Hier einige Beispiele:
- Poolish: kommt in einem Rezept ein Poolish als Vorteig zum Einsatz, nimmst Du statt der Wassermenge im Poolish Hefewasser und lässt im Hauptteig die Backhefe weg
- Biga: kommt in einem Rezept eine Biga als Vorteig zum Einsatz, nimmst Du statt der Wassermenge in der Biga Hefewasser und lässt im Hauptteig die Hefe weg.
- Sauerteig hier nimmt Du statt der Wassermenge im Sauerteig Hefewasser und lässt sowohl Anstellgut, bzw. im Hauptteig die Backhefe weg, sofern auch diese im Rezept vorkommt (Bsp.: Rezeptangabe – Sauerteig: 5g Anstellgut, 50g Mehl, 50g Wasser = umgewandelt: 50g Mehl 50g Hefewasser). Dasselbe Prinzip ist auch auf feste Sauerteig-Varianten wie die italienische Pasta Madre (Lievito Madre) anwendbar (mit mehrmaligen Auffrischungen).
Kombiniert: Hefewasser lässt sich als “Hybrid-Variante” auch toll mit Sauerteig kombinieren. Im Zusammenspiel Kombination mit gewöhnlicher Backhefe wird die Fermentation des Teiges jedoch manchmal gestört und es können sowohl Trieb, Gluten, als auch Krume negativ beeinträchtigt werden.
Mehle
Egal ob Weizen, Dinkel, Roggen, Emmer….Du kannst jede Art von Mehl verwenden um damit, in Kombination mit Hefewasser, einen triebstarken Vorteig herzustellen.
R . I . P Hefewasser
Alles hat ein Ende – und einen Neuanfang. Du kannst jedesmal wenn Du Hefewasser für Deine Teige verwendet hast, immer wieder ein bisschen Wasser oder auch Früchte hinzufügen, um das Gefäß wieder aufzufüllen. Die Fütterung erfolgt wie im Video: mit einem (bzw. einem halben) Teelöffel Zucker ca. 1 Mal pro Woche – dies ist völlig ausreichend.
Bewahre die Früchte unbedingt im Hefewasser auf, denn Du wirst staunen! Diese Früchte kannst Du, wenn Dein Hefewasser zur Neige geht (oder auch davor, wenn Du sie schon früher verwenden willst) pürieren und daraus einen festen Hefewasser Starter ansetzen. Mische einfach Früchte und Mehl im Verhältnis 1:1, lasse die Mischung anspringen bis sie etwa 30% an Volumen zugelegt hat und lasse sie dann 48 Stunden im Kühlschrank weiter fermentieren. Fertig ist Dein Hefewasser Starter!
#brotokoll Hefewasser-Hall of Fame
Getrocknete Tomaten – Apfel (getrocknet & frisch) – Aprikosen – Granatapfel (Kerne, frisch) – lila Möhre (frisch) – Möhre (frisch) – Weinblätter (frisch) – Rosenblütenblätter (frisch) – Frucht & Nussmix (getrocknet) – Rosinen (getrocknet) – Birnen (getrocknet) – Pflaumen (getrocknet) – Maulbeeren (getrocknet)
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