Ab in den Urlaub!
Die Reise ist gebucht, die Koffer sind gepackt, Kind und Kegel schon seit Wochen ready fürs Boarding. Egal was bei Euch am Programm steht: Gipfelrekord in den Bergen, eine Runde Tiefseetauchen im Ozean oder Rudelbaden im überfüllten Schwimmbad der Nachbarschaft…ein paar Tage vor Eurem wohlverdienten Urlaub werden Euch ZWEI Gedanken (neben dem üblichen “Haben-wir-eh-alles-eingepackt-Kopfschmerz”) garantiert beschäftigen.
Zum einen: WIE überlebe ich ein paar Tage oder gar Wochen ohne Backen? (ganz ehrlich – versucht Euch zu überlisten, auch wenn es schwer ist. Ich weiß es aus eigener bitterer Erfahrung, dass “Sandbrot-Formen” statt “Sandburgen-Bauen” nur semi-lustig ist und unsere Sucht nicht mal ansatzweise stillt.)
Zum anderen: Oh Gott! Was mache ich jetzt mit meinem Sauerteig? Nebengedanken wie: Was ist wenn er nie wieder funktioniert? Oder abstirbt? Kann ich dann nie wieder backen? Was macht dann überhaupt noch Sinn? nicht ausgeschlossen.
Keine Sorge, so weit werden wir es nicht kommen lassen. Das #brotokoll sorgt dafür, dass Ihr die Urlaubszeit genießen könnt und für die “Zeit danach” alles bestens vorbereitet ist.
Wir werden Eure Fermentierchen so füttern, dass sie während Eurer Abwesenheit bzw. während Ihres Kälteschlafs genügend Nahrung zur Verfügung haben. Danach werden wir sie schrittweise “wiederbeleben” und Ihnen die nötige Power anfüttern.
Ready Euren Sauerteig oder auch Eure Pasta Madre/Lievito Madre urlaubsfit zu machen? Auf los geht’s los!
Schritt 1: Das (völlig korruptionsfreie) Anfüttern
Sauerteig TA200:
Bei flüssigem Sauerteig (das Getreide spielt keine Rolle) macht Ihr zunächst zwei Fütterungen (im Fütterungsverhältnis wie Ihr ihn auch sonst füttert) unmittelbar hintereinander. Wichtig ist den Sauerteig immer dann zu füttern, bevor er in sich zusammenfällt (also am Peak).
Steht er nach der zweiten Fütterung am Peak, füttert Ihr ihn ein letztes Mal, jedoch im Verhältnis 1:10:4 (Anstellgut : Mehl : Wasser) also mit einer Teigausbeute von 140 (TA140).
Kompliziert? Schnell gelöst mit einem einfachen Rechenbeispiel: Bei 10g Anstellgut, löst Ihr dieses in 40g Wasser auf (die Wassertemperatur sollte derjenigen entsprechen, die Ihr auch sonst bei der regelmäßigen Fütterung habt) und mischt 100g Mehl dazu. Verknetet die Masse ordentlich und gebt den nunmehr festen Sauerteig in das (zuvor gereinigte) Aufbewahrungsgefäß zurück.
Mit aufgelegtem (nicht fest verschraubt, damit Sauerstoff hinein kann) Deckel lasst Ihr den Sauerteig etwa 2 Stunden lang bei Raumtemperatur anspringen. Danach wandert er in den Kühlschrank bei etwa 4-5 Grad Celsius, bis Ihr wieder nach Hause kommt.
Pasta Madre | Lievito Madre:
Bei Pasta bzw. Lievito Madre (je nach Region wird dieser triebstarke, feste, italienische Weizensauer unterschiedlich bezeichnet) füttert Ihr ebenfalls zwei Mal hintereinander im Verhältnis 1:1 (Madre : Mehl) und 45% Wasser (Temperatur 24-25 Grad Celsius. Die Wassermenge wird an der Menge des gefütterten Mehls berechnet. Die Umgebungstemperatur sollte bei 28 Grad liegen.
Nach der zweiten Fütterung. sollte die Madre nach max. 3,5-4 Stunden am Peak stehen und sich in dieser Zeit zumindest knapp verdoppelt haben (Volumen). Auch hier folgt jetzt eine letzte Fütterung, in folgendem Verhältnis: 1 Teil Madre, 5 Teile Mehl und 40% Wasser (wieder an der Menge des gefütterten Mehls berechnet).
Und da kommt auch schon das Rechenbeispiel zur Vereinfachung: 20g Madre, 100g Mehl und 40g Wasser (Wassertemperatur: 24-25 Grad Celsius). Gut verknetet wandert Eure Madre (nicht Eure Mama…) dann entweder in das gewohnte Aufbewahrungsgefäß oder Ihr verschnürt Sie zum Paket á la “Sauerteig-Bandage”. Dazu empfehle ich Euch die Madre mit dem Nudelwalker (Rollholz) auszurollen und einige Male zu laminieren (übereinander falten und wieder ausrollen – diesen Vorgang ein paar Mal wiederholen). Am Ende rollt Ihr sie zu einem Zylinder auf.
Nun wickelt Ihr sie zunächst am besten mit einer Mullbinde (eine Schicht ist ausreichend) ein (das verhindert, dass Euch der Teig zu stark mit dem Leinen verklebt). Danach kommt unter Spannung aufgewickelt noch ein Stück Leinen darüber. Am Ende verschnürt Ihr das Paket fest mit einem Küchengarn, lasst jedoch ein bisschen Luft, damit die Madre mit Ihrer Kraft noch dagegen arbeiten kann. Ich habe in den letzten Wochen die Erfahrung gemacht, dass meine Pasta Madre so wesentlich kräftiger ist und bleibt, als wie üblich in einem Schraubglas aufbewahrt. Auch die Madre wiederum etwa 2 Stunden anspringen lassen und dann im Kühlschrank bei 4-5 Grad Celsius ruhen lassen, bis Ihr wieder zuhause seid.
Schritt 2: das Ende des Dornröschenschlafs
Euer Urlaub ist zu Ende – dann wird es Zeit Eure Sauerteige wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken. Ihr wollt doch so rasch wie möglich wieder backen oder?
Sauerteig TA200:
Zunächst müsst Ihr das Anstellgut (Ihr erinnert Euch, es hat jetzt eine TA von 140) wieder auf die ursprüngliche Teigausbeute (TA200) bringen. Dazu nehmt Ihr einen Esslöffel des noch immer in Kältestarre verweilenden Sauerteigs und löst ihn in soviel Wasser (etwa 27 Grad Celsius bei Weizen oder Dinkel, 38-39 Grad bei Roggen) auf, sodass die Mischung in etwa wieder der Konsistenz Eures normalerweise flüssigen Sauerteigs (TA200) entspricht.
Jetzt sollten in etwa drei bis vier Fütterungen hintereinander folgen, bis Eure Sauerteige wieder Ihre ursprüngliche Triebstärke erreicht haben. Ich empfehle Euch die erste Fütterung im Verhältnis 1:1:1 (Aufgelöste Mischung : Mehl : Wasser), also zu gleichen Teilen durchzuführen. Danach könnt Ihr das Verhältnis wieder an Euer übliches Fütterungsverhältnis anpassen. Das war’s auch schon! Easy oder?
Pasta Madre | Lievito Madre:
Bei Pasta Madre und Lievito Madre erfolgt zunächst eine Runde im Swimmingpool. Direkt aus dem Kühlschrank gebt Ihr das Herz der Madre (alle trockenen Partikel entsorgt Ihr – schneidet Euch lediglich eine Menge von etwa 2 Esslöffeln aus dem Kern der Madre heraus) für etwa 15 Minuten in ein großes Gefäß mit Wasser (23 Grad Celsius) und etwas Zucker (darin aufgelöst). Dieses sogenannte “bagnetto” sorgt dafür, dass die überschüssige Säure, die sich während Eures Urlaubs entwickelt hat, neutralisiert wird.
Danach folgen Fütterungen im Verhältnis 1:1 (Madre : Mehl) mit 40% Wasser (24-25 Grad Celsius) wieder an der Menge des gefütterten Mehls berechnet, solange bis die Madre innerhalb von 3.5 Stunden, bei etwa 28 Grad Umgebungstemperatur, mindestens um den Faktor 1.5 an Volumen zunimmt (bzw. sich optimalerweise verdoppelt).
Ab in den Urlaub … bzw. ran an die Teige
Ich denke der Urlaub kann kommen oder? Eure Sauerteige sind jedenfalls gesichert und freuen sich womöglich sogar über eine kleine Auszeit. Und unter uns: Was gibt es für eine schönere Vorfreude, als die auf das Backen nach dem Urlaub?
Schönen Urlaub Euch allen!
Und an alle die Ihre Sauerteige wieder fit gemacht haben und es nicht mehr erwarten können zu backen – ab in ins #brotokoll Rezept-Universum oder zum nächsten #brotokoll Workshop!
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